Vor dem Arlberg ist hinter dem Arlberg, je nachdem aus welcher Perspektive man die Dinge betrachtet. Als 2024 neben der sanierungsbedingten Sperre des Arlbergtunnels auch die Arlbergpassstraße für mehrere Tage aufgrund eines Murenabgangs gesperrt war, wurde vielen Reisenden erst bewusst, welche Erleichterung die direkte West-Ost-Verbindung über den Arlberg bedeutet. Dabei war das nicht immer so.
Bis ins Mittelalter war die Verkehrsverbindung nach und von Tirol kaum relevant, da sich das römische Raumverständnis in dieser Region mehr an den Süd-Nord-Verbindungen orientierte. Diese Vernachlässigung der Achse sollte bis ins 14. Jahrhundert anhalten, bis den Habsburgern die Erwerbung Tirols und (schrittweise) von Teilen des südlichen Vorarlbergs gelang. Dennoch war der Weg über den Arlberg berüchtigt. Viele Menschen verloren auf der gefährlichen Reise ihr Leben an steilen Abhängen, Lawinen oder Erdrutschen. Bis ins 18. Jahrhundert war die Arlbergstraße noch nicht ordentlich befestigt, die Saumpfade und saisonalen Wegtrassen boten bei weitem nicht die Sicherheit, die wir heute von der Strecke gewohnt sind (Abb.1).

Zu Berühmtheit gelangte die Abbildung von Papst Johannes XXIII., der 1414 auf dem Weg zum Konzil von Konstanz am Arlberg aus seiner Kutsche in den Schnee stürzte (Abb.2).

Erste Planungen zu einer Straßenbefestigung der Arlbergpassstraße sind von 1733 bekannt, unter Joseph II. kam es schließlich zu einer größeren Bauetappe. Der Abschnitt von Bludenz beginnend weiter nach Osten scheint erst 1822 abgeschlossen worden zu sein. 1884 schließlich wurde die Arlbergbahn erbaut. Heute passieren ca. 8000 Fahrzeuge pro Tag den 1978 eröffneten Arlbergtunnel.
Die Vorarlberger Arlbergroute beginnt beim Kloster St. Peter in Bludenz und führt bis St. Christoph am Arlberg. Symbolisch gesprochen öffnet also der Heilige Petrus als Hüter der Himmelspforte das Tor zum Arlberg, wo der Reisende schließlich vom Heiligen Christophorus über den Pass getragen wird.
Ein Teilabschnitt der historischen Straßenführung konnte im Frühjahr 2025 durch Archäologen auf der Flur des sogenannten „Klosterfrauenpaschg“ vor dem Kloster St. Peter ausgegraben werden (Abb.3).

Dicht unter der Grasnarbe kam die Straßentrasse des 18./19. Jahrhunderts zutage, die aus einer starken randlichen Befestigung und einem aus Bruchsteinen und Mörtel verbackenen Straßenkörper bestand (Abb.4). Ganz eindeutig folgt auch die heutige Bundesstraße noch dieser Straßenflucht, wie aus einem Luftbild ersichtlich wird (Abb.5). Dieser alte Verlauf, vor dem Einschnitt der Eisenbahn, kann auch im Franziszeischen Kataster beobachtet werden (Abb.6).



Dort führt, genau wie mit der archäologischen Grabung nachgewiesen, die Trasse schnurgerade südlich der Klostermauer von St. Peter vorbei. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts schlängelte sie sich, wie hingegen in der Schmitt’schen Karte zu sehen ist, noch am Fuße des Gasünder Bühels entlang (Abb.7). Dort war sie von der selbstverständlich noch unverbauten Alfenz leicht erhöht geschützt. Diese Straße konnte im Rahmen der Ausgrabungen ebenfalls entdeckt werden. Sie lag unter der Straße des 18./19. Jahrhunderts und war aus Bachkieseln gebaut sowie mit einem kleinen Mäuerchen randlich befestigt. Wie die vielen Hufeisen auf ihrer Oberfläche andeuten, dürfte sie jedoch sukzessive verschlammt sein (Abb.8).


Wahrscheinlich haben die Pferde auf den Pflastersteinen und im Schlamm ihre Eisen verloren und wurden nicht mehr gefunden. Anders kann die hohe Anzahl an Hufeisen nur schwer erklärt werden, die auf der Oberfläche der Pflastersteine gefunden wurden. Besonders erfreulich war schließlich, dass darunter ein noch älterer Straßenkörper lag, der aus kleineren, verdichteten Kieseln bestand und offenbar kaum befestigt war (Abb.9).

Dieser wurde direkt auf dem anstehenden Boden errichtet und ist somit die älteste erfasste Straßentrasse bei St. Peter, die mit der Arlbergstraße in Verbindung gebracht werden kann. Es ist möglich, dass deren Erneuerung in einer Urkunde von 1542 erwähnt ist: „In gleicher Weise sollen die Kosten der neuen Landstraße, deren Bau infolge Anlegung der Wasserleitung über die alte Landstraße oberhalb der Letzteren notwendig wurde, von den Gutsbesitzern auf dem untern Felde gedeckt werden.“ (Vorarlberger Landesarchiv, Bludenz, Stadtarchiv 10168). Somit wäre die älteste Straße vielleicht jene, über die 1414 der Gegenpapst Johannes XIII. fuhr und „nun dises lande ansahe und den bodensee bludencz und das gebirg so scheinet es herab als ob es in einem tal lig (…) und kam des selben tages gen veltkirch und morgen gen reineck. Darnach gen constancz.“ (Richental-Chronik, 19v).
Die drei aufeinanderfolgenden Straßenführungen bezeugen eindrucksvoll die kontinuierliche Nutzung der Straße durch das Klostertal seit dem Mittelalter. Wie gezeigt werden konnte, liefen alle Trassenführungen am Kloster St. Peter vorbei. Die hochwassergeschützte Lage und die prominente Engstelle zwischen Klostertal, Montafon und Walgau machte „den Vorgarten“ des Klosters zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt in Vorarlberg, dessen Bedeutung bis heute ungebrochen ist.
Laura Holzer, Archäologin und Kunsthistorikerin bei der Firma Context KG