Vorarlberg erzählt – Die große Geschichte vom kleinen Land 

Foto: Vorarlberg erzählt

Wenn gut gelaunte Schüler:innen den musealen Hallen Leben einhauchen, wenn sie gebannt und wissbegierig unseren Geschichten über die Geschichte lauschen und wir dann gemeinsam in sorgfältig aufbereiteten Workshops die historischen Ausstellungsobjekte in unsere Zeit zurückholen, dann ist das Museumspädagogik wie wir sie verstehen und lieben.  

Als Pädagoginnen und Kulturvermittlerinnen im vorarlberg museum orientieren wir uns bei unserer Arbeit gerne am Museumsleitsatz „Verstehen, wer wir sind“ und versuchen dabei, auf vielfältige, immer wieder neue Art und Weise aufzuzeigen, dass jede:r einzelne selbst Teil der Geschichte ist. Dieser Ansatz lebt von Kreativität, Interaktion und Bewegung. Ein Corona-Lockdown mit Besuchsverbot, verwaisten Ausstellungsräumen und erzwungener Stille wirkt da wie eine Vollbremsung! – Allerdings nur im ersten Moment.  

Elvira Flora und Claudia Schwarz (Foto: Daniel Furxer).

Denn wir haben diese völlig neue Erfahrung genutzt, um unseren seit langem gefassten Entschluss endlich in die Tat umzusetzen: Wir haben all die tatsächlichen und wichtigen, die selbst erzählten und gehörten Geschichten hinter den musealen Objekten, die die Geschichtsschreibung Vorarlbergs kennzeichnen, in einem (Kinder)Buch versammelt. Gepaart mit unseren Erfahrungen und jenen der Wissenschaftler:innen und Expert:innen im vorarlberg museum ist eine Reise durch Vorarlbergs Geschichte entstanden, die gerade auch für die jüngsten Leser:innen verständlich, spannend, nachvollziehbar und erlebbar ist.  

Das vorarlberg museum verfügt über knapp 180.000 Objekte (Foto: Markus Tretter).

Wir haben aus insgesamt 180.000 Gegenständen im Fundus des vorarlberg museums ausgewählt und sind persönlich zu allen Orten gefahren, die sich in unserem Buch wiederfinden. Besonders herausfordernd waren die „archäologischen“ Kapitel von der letzten Eiszeit bis hin zum Mittelalter. Sei es, weil das vorarlberg museum auf eine lange archäologische Tradition zurückblicken kann und letztendlich seine Gründung direkt mit der Erforschung des römerzeitlichen Brigantium zusammenhängt.  

Sei es aber auch, weil gerade in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von neuen Erkenntnissen – und damit auch neuen Geschichten – einen etwas differenzierteren Blick auf die Vergangenheit Vorarlbergs erlaubt, und das nicht nur für Wissenschaftler:innen und Expert:innen. Beispielsweise sind die Höhlen, Halbhöhlen und Balmen der Kummenbergregion schon seit den Ausgrabungen in den Jahren 1949 bis 1958 als spätmesolithische Lagerplätze bekannt. Dass eine 14C-Datierung eines kleinen menschlichen Halswirbelfragmentes ein erstaunlich hohes Alter (um 7.500 v. Chr.) aufweist, die Besiedelungsgeschichte also um rund 3.000 Jahre verlängert werden kann, ist hingegen erst seit 2006 bekannt.  

Vorarlberg hat eine lange Siedlungsgeschichte (Foto: Vorarlberg erzählt).

Ebenso galten die unzugänglichen Talschaften Kleines Walsertal, Montafon und Bregenzerwald durch vereinzelte Lesefunde zwar als sporadisch begangen, nicht aber als intensiv genutzt oder gar besiedelt. Archäologische Interventionen seit 2000 (Montafon) bzw. seit 2004/2005 (Kleines Walsertal) haben diese Annahme aber wesentlich korrigiert. Das Montafon war offensichtlich seit der frühen Bronzezeit und in der Eisenzeit eine blühende inneralpine Siedlungskammer, beherrscht von einer befestigten Höhensiedlung am Bartholomäberg (Friaga Wald). Im Kleinen Walsertal fand sich am Osthang des Bärenkopfes in ca. 1600 m Seehöhe die zweite archäologisch nachweisbare Feuersteinabbaustelle (Radiolarit) Österreichs, die während der Mittel- und Jungsteinzeit eine überregionale Rohstoffversorgung sicherte.  

Die Ausgrabungen im Bereich des römerzeitlichen Forums 1887 (Foto: vorarlberg museum).

Weiters bestätigten beispielsweise Ausgrabungen und wissenschaftliche Auswertungen in Bregenz im sogenannten Böckle-Areal (2009 bis 2012) und in der Tiberiusstraße (2016/2017), was schon länger vermutet worden war, auf eindrucksvolle Weise: dass nämlich Brigantium als römerzeitlicher Vorort der gesamten Bodenseeregion angesehen werden kann.  

Das Buch „Vorarlberg erzählt“ (Illustration: Anne Stemmer- Dworak).

Aus unserer täglichen Museumsarbeit wissen wir, dass es gerade in unserer so schnelllebigen Zeit nicht immer einfach ist, zeitliche Abläufe in der Vergangenheit zu verstehen und einzuordnen. Dimensionen von mehreren 100 bis mehreren 1.000 Jahren sind nicht einfach kindgerecht zu erklären. Für viele (nicht nur Kinder), die heute beispielsweise ihren drei Jahre alten Computer gegen einen neuen, besseren, austauschen, ist die steinzeitliche, mehrere Tausend Jahre dauernde Entwicklung vom Faustkeil zum geschäfteten Steinbeil kaum mehr nachzuvollziehen. Mit einer „Zeitkette“ aus farbigen Holzperlen, die wir schon in unseren Museumsworkshops und auch im „Archäologiebus“ angreifbar verwenden, also quasi dem „roten Faden“ durch unser Buch, ist dies aber anschaulich und problemlos möglich. 

Claudia Schwarz und Elvira Flora, vorarlberg museum

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