Alois Negrellis Holzpfähle? – Was Holzfunde über die Geschichte der Achwuhr in Lauterach erzählen

Als Alois Negrelli 1826 als Kreisingenieur-Adjunkt mit der Erstellung der „Rheinstromkarte“ beschäftigt war, verzeichnete er am Lauteracher Ufer der Bregenzer Ach eine hölzerne Uferbefestigung von 370 m Länge (Abb. 1). Hier verlief also bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts das Südufer des noch stark mäandrierenden, für seine Hochwässer gefürchteten Flusses. Auf der franziszeischen Katastralmappe von 1857 erscheint der angrenzende Flussarm bereits aufgeschüttet und die Uferbefestigung ist verschwunden (Abb. 2). Im amtlichen Luftbild des „Jahrhundertsommers“ 2018 sind auf einer der letzten verbleibenden Freiflächen, dem Fußballplatz an der Dammstraße, grüne und bräunliche Verfärbungen im Bewuchs zu erkennen (Abb. 3). Dies ist wohl mit den unterschiedlichen Sedimenten im gewachsenen Untergrund bzw. im aufgeschütteten Gelände zu erklären.

Abb. 1: Alois Negrellis Rheinstromkarte (1826), Ausschnitt mit der Fundstelle 2023 in Rott (Quelle: vogis).
Abb. 2: Franziszeische Katastralmappe (1857), Ausschnitt mit der Fundstelle 2023 in Rot (Quelle: vogis).
Abb. 3: Luftbild 2018, Ausschnitt mit der Fundstelle 2023 in rRot (Quelle: vogis).

Im März 2023 traten im Zuge eines Aushubs für einen neuen Gewerbebau massive Reste von bearbeiteten Holzstämmen zutage und wurden dem Bundesdenkmalamt gemeldet. Ein Lokalaugenschein durch die Autoren bestätigte die Vermutung, dass es sich hierbei um die Überreste der in einer Art Blockbauweise errichteten ehemaligen Uferbefestigung der Bregenzer Ach handelt. In der südlichen Baugrubenwand wurden in ca. 406,30 m Seehöhe (3,5 m unter aktuellem Geländeniveau) mehrere Rundhölzer beobachtet, die als Verankerung in die ursprüngliche Uferböschung hinein verliefen (Abb. 4). Weitere, teilweise deutlich dickere Tannen- und Fichtenstämme waren bereits vom Bagger entfernt worden. Sie konnten vor Ort noch auf bautechnische Details begutachtet werden. Aus vier verschiedenen Stämmen wurden (mittels geborgter Kettensäge) Proben genommen, die dendrochronologisch (also durch Analyse der Jahrringe) exakt datiert werden konnten. Die Errichtung dieses Befestigungsabschnittes erfolgte demnach ab der zweiten Hälfte des Jahres 1750.

Abb. 4: Südliches Profil der Baugrube mit zwei erhaltenen horizontalen Hölzern (Foto: Picker)
Abb. 5: Rekonstruktionsversuch des Bauschemas der Achwuhr von 1750 (Grafik: Pfeifer).

Anhand einiger Bearbeitungsdetails an den Hölzern lässt sich das angewandte Bauschema grob rekonstruieren (Abb. 5). Einige Schwellhölzer mit um 90° versetzten rechteckigen Ausstemmungen zählen zur längs der Flussrichtung verlegten Außenwand (Abb. 6). Die horizontalen Löcher (Abb. 7) nahmen durchzapfte kurze Querschwellen auf zur Verankerung in der Uferböschung bzw. der Hinterfüllung. In den vertikalen Zapflöchern steckten schmälere aufrechte Pfosten, die zur Wandverstärkungen innerhalb der Blockwand dienten (Abb. 8).

Abb. 6: Eines der Schwellhölzer mit horizontaler Ausstemmung (vorne) und vertikalem Zapfloch (hinten) (Foto: Picker).
Abb. 7: Schwellholz mit horizontaler Ausstemmung (Foto: Picker).
Abb. 8: Schwellholz mit vertikalem Zapfloch und kleinerem aufrechten Pfosten (Foto: Picker).

Aufgrund der naturwissenschaftlichen Datierung der Hölzer selbst lässt sich dieses Bauwerk historisch gut einordnen. In den Schriftquellen finden sich erste Nachrichten über die Errichtung von Flussuferbefestigungen in Wolfurt und Lauterach bereits in der Zeit um 1500. Es ist anzunehmen, dass die beginnende „Kleine Eiszeit“, als sich das Klima nach der „hochmittelalterlichen Warmzeit“ tendenziell verschlechterte, zu stärkeren Hochwasserereignissen führte. Aber auch die zunehmende Landnutzung und herrschaftliche Organisation des Gebietes dürften eine Eindämmung des Flusses attraktiv erscheinen haben lassen. In der frühen Neuzeit war die Errichtung von Ufersicherungen (in Vorarlberg meist „Wuhren“, in Tirol „Archen“ genannt) meist den Grundbesitzern oder Gemeinden überlassen.

Im Jahr 1544, nach einem verheerenden Hochwasser von 1542, das angeblich beinahe die Gräber am Harder Friedhof weggeschwemmt hätte, schlossen sich die hofsteigischen Gemeinden Wolfurt, Lauterach, Hard mit der Stadt Bregenz und dem Kloster Mehrerau zur „Achwuhrkonkurrenz“ zusammen. Diese Zusammenkunft („Konkurrenz“ im wörtlichen Sinne) war ein für damalige Zeiten visionäres Vorhaben. Wuhrmeister und Wuhrschreiber sollten über nötige Bauten und die Aufteilung der Kosten entscheiden sowie die Arbeiten überwachen. Die Wuhrkonkurrenz regelte auch die Bezahlung und Arbeitszeiten der aus der Bevölkerung rekrutierten Arbeiter:innen und Fachkräfte. Obwohl immer wieder von Missständen und Streitigkeiten berichtet wird, bestand die rechtsseitige Achwuhrkonkurrenz bis in die Zeit der Achregulierung 1925/26. Die linksseitige Achwuhrkonkurrenz besteht (mit neuen Statuten von 1952) noch heute.

Zentral von staatlicher Seite gesteuerte Hochwasserschutzmaßnahmen setzten erst relativ spät ein – und meist nur dort, wo die Landstraßen bedroht waren oder Hindernisse für die Schifffahrt beseitigt werden mussten. Erst seit den 1740er Jahren bestand das „Oberarcheninspektorat“ in Innsbruck. Ab 1792 war dieses Teil der Landesbaudirektion, die für die staatlichen Infrastrukturbauten in Tirol und Vorarlberg zuständig war. Als Vertreter der staatlichen Stelle dokumentiert Negrelli also 1826 den damals bereits vorhandenen, den Arbeiten der Achwuhrkonkurrenz zu verdankenden Stand der Uferverbauung. Da die beprobten Hölzer aus Lauterach alle gleich datieren, besaß die Wuhr (zumindest an dieser Stelle) offenbar nur eine einzige Bauphase. Erneuerungen oder Ausbesserungen waren entweder nicht nötig oder erfolgten so grundlegend, dass von älteren Vorgängerphasen nichts übriggeblieben ist. Der relativ gute Erhaltungszustand der Hölzer sowie die Darstellung in der franziszeischen Katastralmappe sprechen dafür, dass der Bau im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts unter der neu geschaffenen Erdoberfläche verschwand. Die Flussvermesser Negrellis müssen also einen bereits 76 Jahre alten Holzbau vorgefunden haben, der wenig später obsolet geworden sein dürfte.

Andreas Picker, Bundesdenkmalamt – Archäologie Vorarlberg
Klaus Pfeifer, Labor für Dendrochronologische Holzanalytik

Literatur:

W. Beimrohr, Der Inn und seine kartographische Aufnahme in den 1820er Jahren, Tiroler Landesarchiv 2019: https://www.tirol.gv.at/fileadmin/themen/kunst-kultur/landesarchiv/downloads/InnkarteMS.pdf

P. Bußjäger/J. Concin/K. Gerstgrasser, Alois Negrelli und seine Spuren in Vorarlberg (1822–1832), Bludenzer Geschichtsblätter 33/34 (1997).

E. Fröwis, Lutaraha 853, Lauterach 1985. Beiträge zur Ortsgeschichte und Vereinschronik, Lauterach 1985, bes. 75–76. B. Heinzle, Die Achwuhrkonkurrenz – ein historischer Überblick: https://wasserverband-bregenzerach.pageflow.io/bregenzerach-hochwasserschutz-und-lebensraum#265676. Th. Klagian, An der Ach: https://100geschichten.bregenz.at/geschichte/an-der-ach/.

K. Pfeifer, Dendrochronologisch-technomorphologische Untersuchung eines Kollektivs von Rundhölzer einer historischen Bregenzerachwuhrung. Holzfunde im Bereich der südlichen Rampenmauer, ungedruckter Bericht September 2023 (Archiv Bundesdenkmalamt).

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