Der Graf und sein Hund – Neue Erkenntnisse zu der Grabplatte aus der Domkirche St. Nikolaus, Feldkirch

Foto: Stump 1964

Kenner*innen der Dompfarrkirche St. Nikolaus in Feldkirch mag das leicht überlebensgroße, in Stein gemeißelte Bildnis eines Mannes, welches in die Mauern des Chores eingelassen ist, ein Begriff sein. Dieses 196 cm hohe und bis zu 80 cm breite Relief aus Sandstein ist leicht erhöht, direkt unterhalb eines Fensters in die östliche Wand des nördlichen Seitenschiffes des dreiteiligen Chors eingemauert und Teil einer sogenannten Grabplatte mit Liegefigur.

Sichtbar ist ein Großteil der plastisch gearbeiteten Figur, samt Kissen unter dem lockigen Haupt. Der Sandstein weist teilweise starke Beschädigungen auf. So fehlt neben den Armen auch der komplette untere Abschluss der Darstellung, also auch die Füße des Dargestellten. Auch das Gewand ist besonders im Brustbereich schwer beschädigt. Nur auf dem Kissen haben sich Reste einer gemeißelten Verzierung erhalten. Anhand der vorhandenen Charakteristika kann dieses Grabplattenfragment als hochgotisch angesprochen bzw. in das beginnende 14. Jahrhundert, mit Einflüssen des 13. Jahrhunderts, datiert werden. Ohne eine Inschrift, sowie anderer schriftlicher und bildlicher Quellen aus dieser Zeit, war die Identifikation der dargestellten Person nicht immer klar (Abb. 1).

Abb. 1 Feldkirch, Domkirche St. Nikolaus: Liegefigur des Grafen Hugo I. v. Montfort, A. 14. Jhdt., o. Maßstab (Quelle: N. Sutterlüti).

Damit stellt sich die Frage, um wen handelt es sich bzw. für wen wurde diese Grabplatte gestiftet? Anhand des Aufstellungsortes muss es sich um eine bedeutende Persönlichkeit gehandelt haben, da der Bestattungsplatz im Chor nur für einem kleinen Personenkreis reserviert war. Aus der Zeit, aus der die Grabplatte stammt, kommt ein Mitglied des Grafenhauses Montfort infrage. Bis zum Jahr 1964 gingen die meisten Forscher davon aus, dass es sich bei der abgebildeten Person um den letzten Grafen von Montfort-Feldkirch, Rudolf V. (gestorben 1390), handelt. Im Jahr 1964 wurde diese Ansprache durch die Veröffentlichung einer Tuschezeichnung der Grabplatte des ersten Grafen von Montfort, Hugo I. (Todesjahr unbekannt, zwischen 1228 und 1237/1244), aus dem Jahr 1641/2, welche aus der Feder des Benediktinermönches Gabriel Bucelins stammt, infrage gestellt.

Abb. 2 Feldkirch: Tuschezeichnung der Grabplatte von Graf Hugo I. v. Montfort nach G. Bucelin (Quelle: Stump 1964, Abb. 16, 32).

Gleichzeitig mit dieser Veröffentlichung durch Thomas Stump stellte Ludwig Welti die Vermutung auf, dass es sich bei dem Figurenfragment in der Kirche St. Nikolaus nicht um den letzten Grafen von Montfort-Feldkirch handelt, sondern um den ersten Grafen von Montfort, Hugo I. (Abb. 2). Nicht nur die Zeichnung, welche deutliche Ähnlichkeiten mit dem Fragment aus der Domkirche aufweist, sondern auch eine Beschreibung, niedergeschrieben von dem Jesuiten Andreas Arzet um 1647, verstärkte die Ansprache als Graf Hugos Grabplatte.

Abb. 3 Feldkirch, Palais Liechtenstein: Ansichten des sog. „Hunde“-Fragments (Quelle: ARDIS Archaeology).

Jedoch soll diese nicht im Dom aufgestellt worden sein, sondern in der ehemaligen Klosterkirche St. Johann. Bei einer archäologischen Ausgrabung auf dem Montfortplatz, gleich neben der Kirche St. Johann, konnte im Jahr 2012 ein Sandsteinfragment in Form eines Tiertorsos geborgen werden. Bereits kurze Zeit nach seiner Auffindung wurde das Fragment wegen der Zeichnung von Bucelin und dem Bericht von Arzet, als „Hugos Hund“ bezeichnet (Abb. 3). Erst im Jahr 2021 erfolgte eine Untersuchung der Fragmente mittels Rasterelektronenmikroskopie. Dabei stellte sich heraus, dass „Hugos Hund“ mit hoher Wahrscheinlichkeit zu der Grabplatte im Dom gehört. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass die flankierende gotische Fiale eine andere Zusammensetzung aufweist als die Liegefigur und somit eine spätere Erweiterung des Grabsteines darstellen muss (Abb. 4).

Abb. 4 Feldkirch, Domkirche St. Nikolaus: Frontalansicht der sog. Grabplatte des Graf Hugo I. und dem sog. „Hunde“- Fragment, o. Maßstab (Quelle: N. Sutterlüti).

Doch wann wurde das Grabplattenfragment in die Domkirche transferiert und in der Chorwand eingelassen? Glaubt man den Überlieferungen, befand sich das Grabmonument von Graf Hugo I. kurz nach 1610 noch in der Kirche St. Johann und wurde dort teilweise abgebrochen. Die Überführung der Grabplatte könnte mit der Entfernung des Dreifaltigkeitsaltars im Dom zwischen 1756 und 1830 in Zusammenhang stehen. Erst nach dessen Abbruch konnte die Grabplatte eingemauert worden sein. 1872 wurde das Chorfenster erweitert und das Kissen abgetragen. Die Grabplatte muss zu diesem Zeitpunkt also schon am heutigen Standort gewesen sein. Eine jahrgenaue Bestimmung war bis lang nicht möglich. Ob die Geschichte der Grabplatte irgendwann komplett aufgearbeitet werden kann, müssen zukünftige Forschungen zeigen.

Autorin: Nadja Sutterlüti, Archäologin

Quellen:

A. Arzet – A. Niederstätter, Montfortischer Ceder- oder Stammbaum. Ursprung und Herkommen, Geschichten und Taten, Land und Leute der Grafen von Montfort. In: E. L. Kuhn – A. Niederstätter – S. Feucht (Hrsg.), Documenta suevica 26 (Eggingen 2018).
B. Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs 1. Vom freien Rätien zum Staat der Montforter (Wien 1971).
M. A. Getzner – A. Ulmer, Die Geschichte der Dompfarre St. Nikolaus Feldkirch. In: Archiv der Stadt Feldkirch (Hrsg.), Stadt und Pfarre – Pfarrherren – Pfarrkirche (Dom), Filialkirchen und Kapellen 1 (Feldkirch 1999).
S. Jenny, Grabmale in Feldkirch. In: J. A. Freiherrn v. Helfert (Hrsg.), Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale NF XI (Wien 1885) S. LXXX-LXXXI.
A. Niederstätter, Die Vorarlberger Burgen (Innsbruck 2017).
P. T. Stump OSB, Bilder aus Vorarlberg in Werken von P. Gabriel Bucelin (1599-1681). In: Montfort. Zeitschrift für Geschichte, Heimat- und Volkskunde Vorarlbergs 161 (Dornbirn 1964) 25- 40.
A. Ulmer, Schloß Feldkirch-Schattenburg. Ein geschichtlicher Überblick. In: Karl Haller (Hrsg.), Feldkircher Anzeiger 75 (Feldkirch 1916) 3.
A. Ulmer, Die Stadt-Pfarrkirche zum hl. Nikolaus in Feldkirch einst und jetzt (Feldkirch 1924).
G. v. Wyss, Die Grafen von Montfort und Werdenberg. In: Anzeiger für schweizerische Geschichte und Alterthumskunde 132 (Zürich 1867) 21-27.

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