Die römische Militärpräsenz auf dem Boden des heutigen Österreich wird in erster Linie mit den Befestigungen entlang der Donau wie z. B. Carnuntum assoziiert, denen erst kürzlich der Status eines UNESCO-Weltkulturerbes zuerkannt wurde (mehr dazu). Ganz im Westen des Bundesgebiets, in Bregenz, befand sich in der frühesten römischen Kaiserzeit (1. Hälfte 1. Jahrhundert n. Chr.) allerdings auch ein bedeutender Militärstandort, der durch Ausgrabungen und Forschungen der vergangenen zwölf Jahre in den Fokus der Wissenschaft gerückt ist.
Erste Funde von militärischen Ausrüstungsgegenständen wurden in Bregenz bereits im späten 19. Jahrhundert getätigt. Bis heute sind rund 300 dieser sog. Militaria sowie Bestandteile von Pferdegeschirr, für das gemeinhin auch ein militärischer Kontext vermutet wird, aus dem 1. Jahrhundert bekannt. Dazu zählen neben Waffen wie etwa einem Dolch und Schildbestandteilen auch Schnallen und Beschläge von Soldatengürteln, dem Erkennungszeichen schlechthin eines römischen Soldaten (Abb. 1). Die Gürtelbestandteile waren manchmal mit aufwändigen Dekorationen versehen wie z. B. mit der römischen Wölfin beim Säugen der Zwillinge Romulus und Remus – ein Motiv aus der Gründungslegende der Stadt Rom. Wie eng der Militärgürtel mit der soldatischen Identität verknüpft war, verrät uns Servius (frühes 5. Jh. n. Chr.): „Omnes, qui militant, cincti sunt“ – Alle, die Militärdienst leisten, sind gegürtet (Servius, Commentarius in Vergilii Aeneida VIII,724).

Eingeritzte Buchstaben und was sie uns verraten
Wer die Soldaten waren, die in Brigantium ihren Dienst verrichteten, und woher sie kamen, wissen wir (noch) nicht. Die einzigen Zeugnisse, die uns zumindest Namen überliefern, sind Keramikscherben mit sog. Graffiti. Dabei handelt es sich um eingeritzte Besitzkennzeichnungen, die besonders in den gewöhnlich aus acht Soldaten bestehenden Stubengemeinschaften gängig waren. Im Fundmaterial des frührömischen Militärlagers sind zwei Graffiti mit den Namen Afinius und Novellus erhalten (Abb. 2). Afinius war ein Gentilname (vergleichbar unseren heutigen Nachnamen) aus dem italischen Raum und ist nördlich der Alpen im 1. Jahrhundert für Legionäre, die ranghöchsten Soldaten der römischen Armee, belegt. Da aufgrund von spezifischen Ausrüstungsgegenständen die Stationierung dieser Elitetruppen auch in Brigantium anzunehmen ist, dürfte sich hier demnach ein Legionär zu erkennen geben. Ob dies auch auf Novellus zutrifft, ist schwierig zu entscheiden. Dieser lateinische Beiname mit der Bedeutung „der Neue/der Junge“ könnte auch von einem Auxiliarsoldaten, einem Angehörigen der in der Militärhierarchie niedrigeren Hilfstruppen, aus einem Provinzgebiet des Römischen Reichs getragen worden sein.

Das Militärlager und noch viele offene Fragen
Vom Militärlager, in dem Afinius und Novellus ihren Dienst verrichteten, wurde bislang nur ein kleiner Ausschnitt bei Ausgrabungen 2010 auf dem Areal des früheren Unfallkrankenhauses Dr. Böckle genauer untersucht. Dort kamen zwei mehrere Meter breite wie tiefe und im Querschnitt V-förmige Verteidigungsgräben ans Tageslicht, die das Lagerareal nach Südwesten hin begrenzten (Abb. 3). Von der Umwehrungsmauer und den Innengebäuden haben sich nur die in den Boden eingetieften Fundamentgräben und Pfostenlöcher erhalten. Die aufragenden Baustrukturen aus Holz, Erde, Lehm etc. wurden bei der Räumung des Militärlagers in der Mitte des 1. Jahrhunderts geschliffen, um das Areal für eine folgende Bebauung mit Zivilgebäuden vorzubereiten. Die Ausdehnung der ursprünglich militärisch genutzten Fläche nach Nordosten hin ist mangels fehlender Ausgrabungsergebnisse noch unbekannt – plausibel erscheint eine Ausdehnung bis zu den späteren römischen Thermen (öffentliche Badeanlage) unter der evangelischen Kreuzkirche auf dem Ölrain und damit eine Größe zwischen 5,3 ha (Abb. 3, rot) und 6,5 ha (Abb. 3, hellrot), was nicht weniger als 7–9 durchschnittlichen Fußballfeldern entspricht. Für römische Militärlager ähnlicher Größe und Zeitstellung wird eine Besatzung zwischen 1.500 und 2.500 Soldaten vermutet. Um diese Zahl für das Lager in Bregenz näher eingrenzen zu können, müssten v. a. Anzahl und Größe der Mannschaftsunterkünfte bekannt sein, was zukünftigen Forschungen vorbehalten bleiben muss.

Warum das Ganze?
Die strategische Funktion des Militärstützpunktes in Brigantium lässt sich hingegen bereits jetzt klar umreißen: In den ersten Jahrzehnten nach dem Alpenfeldzug 15 v. Chr. dürfte sich hier eine nur temporär genutzte Militärbasis für römische Vorstöße ins freie Germanien befunden haben. Bald nach der allseits bekannten Niederlage des römischen Feldherrn Varus gegen die Germanen unter Arminius im Teutoburger Wald 9 n. Chr. wurde dann eine Kette von dauerhaften Militärlagern entlang dem Hochrhein und durch das bayerische Alpenvorland angelegt. An den beiden Enden dieser Verteidigungslinie lagen das Legionslager Vindonissa (Windisch/CH) und das Militärlager in der Altstadt von Augsburg/D. Ziemlich genau in der Mitte dieser Kastellkette war Brigantium situiert, dem aufgrund der Lage an einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt – zweigte hier doch die sog. Alpenrheintalstraße nach Süden ab – bereits damals eine zentralörtliche Bedeutung zukam. Letztere behielt der Ort dann auch nach der Vorverlegung der römischen Truppen an den um 50 n. Chr. fertig befestigten Donaulimes. Doch das ist eine andere Geschichte…
Literatur: J. Kopf, Römische Soldaten in Brigantium. Das militärische Fundmaterial und die Chronologie der Militäranlagen der frühen Kaiserzeit. vorarlberg museum Schriften 54 (Horn 2020).
Autorin: Dr. Julia Kopf, Institut für Klassiche Archäologie, Universität Wien