Archäologie auf Achse – Das vorarlberg museum bringt Archäologie an die Schulen 

Foto: Karin Nussbaumer

Das Ziel, Kinder und Jugendliche fürs Museum, für die Geschichte Vorarlbergs und für die Archäologie zu begeistern, begleitet Kulturvermittler:innen in ihrer täglichen Arbeit. Da Geschichte und besonders die Geschichte Vorarlbergs im Lehrplan der Schulen verankert ist, sind Workshops zu diesen Themen sehr stark nachgefragt. Allerdings bedeutet ein Museumsbesuch für die meisten Schulen einen hohen organisatorischen und zeitlichen Aufwand. Mit dem Projekt „Archäologie auf Achse“ bringen wir nun das Museum direkt auf den Schulhof. 

Ein weiterer Beweggrund für die Entwicklung dieses Vermittlungskonzeptes war es, die Archäologie als Wissenschaft für Kinder und Jugendliche erlebbar zu machen. Durch das praktische Arbeiten auf einer Mini-Grabung und dem eigenen Erforschen von Originalfunden aus Vorarlberg können die Kinder und Jugendlichen in die Rolle von Archäolog:innen schlüpfen. 

Die archäologische Erforschung Vorarlbergs hat eine lange Tradition und bildet in der Sammlung wie in der Ausstellung einen Schwerpunkt des vorarlberg museums. In der Kulturvermittlung ist man überzeugt, dass ein Besuch an der Schule auch als Multiplikator funktionieren kann. Denn wer einmal an einem Workshop teilgenommen hat, ist auch leichter dazu zu motivieren, (wieder) einmal ins Museum zu kommen. Sei es um mit der Klasse ein Angebot zur Vertiefung des Themas in der Ausstellung Weltstadt oder so? Brigantium im 1. Jahrhundert n. Chr. wahrzunehmen, um mit den Eltern die vergoldete Hand einer überlebensgroßen, römischen Bronzestatue in ihren realen Dimensionen vor Ort zu sehen, oder einfach nur um mit Freunden die vielfältigen Hands-on-Angebote in den Ausstellungen auszuprobieren. 

Abb. 1: Kinder können echte, hier römerzeitliche Gefäßfragmente anfassen. (Foto: Karin Nussbaumer)

Als Vorbild diente dem vorarlberg museum das Archäomobil der Schweizer Kantonsarchäologien, das 2018 im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres entstanden ist. Ohne größeren (auch finanziellen) Aufwand wurde der dortige Ausgrabungsbus von der Schaffhausener Kantonsarchäologin in ein fahrendes Museum umfunktioniert. Damit gelang es den Organisator:innen einerseits archäologische Bodenfunde zumindest für einen Tag wieder an ihren Fundort zu bringen und andererseits die Archäologie für eine breitere Schicht sicht- und greifbarer zu machen. Anfang 2020 begannen Anja Rhomberg und die Autorin Nadine Alber-Geiger für das vorarlberg museum erste Konzepte zu erarbeiten. Mit einem schon etwas in die Jahre gekommenen Kleintransporter des Museums stand auch ein geeignetes Fahrzeug zur Verfügung. Dann kam Corona mit den bekannten Folgen. 

Neun Monate später, im September, war es dann aber soweit. Mit rund zwanzig Kisten voll Gartenerde, Ausgrabungsgeräten und originalen Funden an Bord fuhr der Archäologiebus an die ersten Schulen. Trotz Corona-Einschränkungen, witterungsbedingter Winterpausen und nicht zuletzt mangelnder Personalressourcen (es sollte immer zumindest eine Archäologin bzw. ein Archäologe an Bord sein) wurde das Angebot bislang von rund 2.000 Teilnehmer:innen wahrgenommen. 

Abb. 2: Im Ausgrabungsteil führen die Schüler:innen eigene Grabungen durch. (Foto: Karin Nussbaumer)
Workshop an der Schule

Wie erfährt man etwas über die eigene Vergangenheit? Wie veränderte sich das Leben der Menschen in den vergangenen Epochen? Welche Materialien überdauern tausende Jahre in der Erde, welche nicht, und warum? Wie wird eine Ausgrabung durchgeführt? Was tun Archäolog:innen denn so? Graben sie nur alte Dinge aus? Oder gar Schätze? Die Antworten darauf sollen sich die Schüler:innen einer Klasse in zwei Gruppen in einem rund 2-stündigen Workshop unter unserer Anleitung selbst erarbeiten. 

Im Epochenteil (Abb. 1) wird das Leben in der Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit, Römerzeit und im Mittelalter näher beleuchtet. Bilder zu den jeweiligen Epochen zeigen Szenen aus dem täglichen Leben. Eine „Zeitkette“ ordnet die verschiedenen Epochen mit farbigen Markierungen zeitlich ein und zeigt leicht verständlich die Datierung auf. Das Spannendste dieses Workshopteils ist die Beschäftigung mit Originalen. Fünf Kisten stehen zur Verfügung, jede befüllt mit bis zu sieben Fundstücken einer Epoche. Die Objekte wurden von Gerhard Grabher, dem Kurator für Archäologie am vorarlberg museum zur Verfügung gestellt. Die Schüler:innen dürfen diese Originale in die Hand nehmen. Was sonst in Vitrinen geschützt in einem Museum liegt, kann nun befühlt und von allen Seiten betrachtet werden. Bruchstücke werden interpretiert, Gegenstände ihrem Zweck zugeordnet, Materialien besprochen – ein haptischer Erfahrungsmoment, der die Kinder und Jugendlichen beeindruckt. Ergänzend ist eine kleine Auswahl von besonderen Fundstücken – Highlights des Museums und zu wertvoll „um auf Reisen zu gehen“ (Terra Sigillata, das Eponarelief, eine vergoldete Hand, ein Öllämpchen, eine seltene Münze) – auf großen Aufklebern am Archäologiebus präsent. Mit diesen Abbildungen kann gearbeitet werden, sie können außerdem als Anreiz für einen Museumsbesuch gesehen werden. 

Abb. 3: Die „Verrottungsvitrine zeigt, was beispielsweise von einem Fisch nach 2000 Jahren noch übrig ist. (Foto: Karin Nussbaumer)

Im Ausgrabungsteil (Abb. 2) unternehmen die Schüler:innen selbst eine Grabung in kleinen Kisten, die mit Erde befüllt sind. Ausgegraben werden Originalfundstücke unterschiedlichster Materialien und aus verschiedenen Epochen – vom Bärenzahn über römische Terra Sigillata bis hin zum mittelalterlichen Eisennagel. Alle dokumentieren und zeichnen ihren Fund in ein kleines Grabungstagebuch. In der anschließenden Besprechung der Funde, stellt jede:r das gefundene Objekt näher vor und wagt vielleicht schon eine Zuteilung zu einer der Epochen. 

Um das Fehlen bestimmter Materialien im Fundbestand einer Ausgrabung, den oft sehr schlechten Erhaltungszustand bestimmter Objekte, aber auch die fehlende Vollständigkeit (z.B. einzelne Scherben eines Tongefäßes) zu veranschaulichen, haben wir auch eine sogenannte Verrottungsvitrine an Bord (Abb. 3). Was ist von einem Fisch nach 2.000 Jahren noch erhalten? Was von einem Holzgefäß oder einer römischen Sandale? 

Wie eine echte Grabung aussieht und welche Daten und Informationen aus den einzelnen Erdschichten gezogen werden können, erklären die Kulturvermittler:innen am Archäologiebus selbst (Abb. 4). Dieser ist beidseitig mit Fotos eines Grabungsschnittes und dessen Umzeichnung beklebt. Hier wird besprochen, wie diese Schichten entstehen und wie die Fundsituationen auf Grundlage der Stratigraphie interpretiert werden kann. 

Abb. 4: Der Archäologiebus tourt durch das Land. (Foto: Karin Nussbaumer)

Wenn am Ende des Workshops gefragt wird, wer denn jetzt Archäologe oder Archäologin werden möchte, zeigt sich, dass dieser Beruf als Möglichkeit in den Köpfen der Schüler:innen angekommen ist. Viele sehen in der aufzubringenden Geduld beim Ausgraben eine Herausforderung, die Freude beim „Suchen“ und die Überraschung beim „Finden“ begeistert die meisten. Das größte Highlight – das sieht man auch immer wieder an den Gesichtern – ist der Moment, ein Objekt in die Hand nehmen zu dürfen, das mitunter einige tausende Jahre alt ist. Ein besonderer Augenblick, der den Schüler:innen noch lange Zeit im Gedächtnis bleibt.  

Informationen: 

Die Zielgruppe sind 9- bis 12-jährige Schüler:innen im Raum Vorarlberg. Der Inhalt passt zum Lehrplan des Sachunterrichts in der 4. Klasse Volksschule sowie zum Lehrplan des Geschichteunterrichts der 2. Klasse Unterstufe. Buchbar von April bis Juli und von September bis November immer dienstags und donnerstags unter kulturvermittlung@vorarlbergmuseum.at  

Autorin: Nadine Alber-Geiger, Kulturvermittlerin im Vorarlberg Museum

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