Luxusgeschirr? Nein, aber für die Archäologie eine bedeutende Quelle! – Terra Sigillata aus Händlerdepots

Foto: Julia Kopf

Arretina nimis ne spernas vasa monemus: lautus erat Tuscis Porsena fictilibus 

„Ich rate dir, achte nicht zu gering Arretiner Gefäße: Luxuriös lebte Porsenna mit tuskischem Tongeschirr.“ Martial, Epigramme 14,98 
Abb. 1: Terra Sigillata aus dem Römerkeller 1878 in der Ausstellung „buchstäblich vorarlberg“ (J. Kopf).

Wenngleich inzwischen gut belegt ist, dass die „wirklich“ Reichen bevorzugt aus Metallgeschirr speisten und tranken, wurde auch in Brigantium, dem römerzeitlichen Bregenz, das vom römischen Dichter Martial gepriesene, rot glänzende Tischgeschirr ganz besonders geschätzt. Dies demonstriert die große Anzahl an Gefäßen und Fragmenten dieser in der Forschung Terra Sigillata genannten Keramikware in den Beständen des vorarlberg museum (Abb. 1). Dabei kam dieses Geschirr allerdings nur zu Beginn der Siedlungsgeschichte von Brigantium aus den mittelitalischen Werkstätten rund um Arretium (Arezzo), von denen Martial schrieb. Schon vor 50 n. Chr. war es dann in erster Linie eine Großtöpferei im heutigen Südfrankreich, die Teller, Näpfe und variantenreich verzierte Bilderschüsseln (Abb. 2) an die römerzeitlichen Siedlungen des Bodenseeraums lieferte. In der mittleren Kaiserzeit (2./3. Jh. n. Chr.) folgten dann Waren aus anderen Gebieten Galliens sowie des Oberrheingebiets. 

Abb. 2: Umzeichnungen der Reliefverzierung von Terra Sigillata-Schüsseln aus dem Römerkeller 1878 (Jacobs 1912, Taf. III).

In der römischen Archäologie gehört die Terra Sigillata aufgrund ihres Potentials für die Datierung von Fundstätten sowie ihrer Verbreitung im gesamten Imperium Romanum zu den am besten erforschten Materialgruppen. Allerdings wurden viele bedeutende Fundensembles bisher noch nicht in wissenschaftlich adäquater Weise dokumentiert, analysiert und veröffentlicht. Dazu gehören auch zahlreiche Händlerdepots und Keramiklager in den Provinzen des Römischen Reichs, welche der Kategorie der pre-consumption deposits zugeordnet werden können. Mit diesem Fachausdruck werden Keramikensembles umschrieben, die in den Boden gelangten, bevor sie als Geschirr verwendet werden konnten. Dies betrifft Funde aller Stufen der Handelskette, von am Töpfereiort entsorgten Fehlbränden über gesunkene Schiffsladungen bis hin zu meistens durch Feuer zerstörten Händlerdepots am Zielort. Aus diesen pre-consumption deposits lassen sich wichtige Erkenntnisse zur formalen Standardisierung der Gefäße, zur funktionalen Zusammensetzung von Keramiklieferungen, zu Handelsmechanismen und zu Töpfernetzwerken ableiten. 

Abb. 3: Stadtplan von Brigantium mit Fundorten des Römerkellers 1878, des Sammelfundes 1911 und des Händlerdepots 1913 (K. Oberhofer, A. Picker und U. Reiterer mit Ergänzungen von J. Kopf).

Das 1913 in Bregenz ausgegrabene Händlerdepot bestehend aus Terra Sigillata-Gefäßen der frühen Kaiserzeit (1. Hälfte 1. Jh. n. Chr.) wurde mittlerweile publiziert. Ein derzeit vom FWF – Der Wissenschaftsfonds finanziertes Forschungsprojekt an der Universität Wien hat die Bearbeitung und Publikation von zwei weiteren in dieser Hinsicht relevanten Bregenzer Terra Sigillata-Fundkomplexen der mittleren Kaiserzeit (2. Jh. n. Chr.) zum Ziel (Abb. 3). Die Terra Sigillata aus einem 1878 entdeckten Römerkeller ist bisher nur in Auswahl publiziert (Abb. 2). Durch ihre Aufstellung in der Ausstellung „buchstäblich vorarlberg“ (Abb. 1) – passend zum Zitat Martials unter L wie Luxus – sind die Gefäße auch den hiesigen Museumsbesucher*innen bekannt. Im Gegensatz dazu führte der sog. Sammelfund 1911 abgesehen von einer Erwähnung im Grabungsbericht von A. Hild aus dem Jahre 1930 bislang ein stiefmütterliches Dasein in verstaubten Kartonen (Abb. 4). Bei diesem ist daher vor der wissenschaftlichen Analyse noch die sehr zeitaufwändige und oft eintönige dokumentarische Grundlagenarbeit zu leisten, die folgendermaßen umschrieben werden kann: Zuerst kommt das Puzzeln (Welche Fragmente gehören zu einem Gefäß?), dann werden die Fragmente aneinandergefügt und die Gefäßprofile gezeichnet und zum Abschluss werden noch in Handwerksarbeit Silikonabformungen und anschließend Gipsabgüsse der Gefäßverzierungen und der Töpferstempel hergestellt. Dazu aber ein anderes Mal mehr… 

Abb. 4: Verbrannte Tellerfragmente des Sammelfundes 1911 (J. Kopf).

Autorin: Julia Kopf, Institut für Klassische Archäologie, Universität Wien

Zitat: 

M. Valerius Martialis, Epigramme, lateinisch-deutsch, hrsg. und übers. von P. Barié und W. Schindler. Gesamtausgabe: Vol. 3., vollständig überarbeitete Auflage (De Gruyter Akademie Forschung 2013). 

Literatur

A. Hild, Archäologische Forschungen in Bregenz. Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien 26, 1930, 115–176 (Beibl.) bes. 122–125. 

J. Jacobs, Sigillatafunde aus einem römischen Keller zu Bregenz. Jahrbuch für Altertumskunde 6, 1912, 172–184. 

S. Jenny, Bauliche Ueberreste von Brigantium. Rechenschaftsbericht des Ausschusses des Vorarlberger Museums-Vereins in Bregenz 20, 1880, 10–26. 

J. Kopf, Ein früher südgallischer Terra-Sigillata-Sammelfund aus Bregenz: Überrest eines militärischen Keramikdepots? Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 62, 2015, 135–254. 

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